Prof. Dr. Henning Trsek und Wolfgang Wiele im Interview
Unter dem Motto #rethinkAUTOMATION orientiert sich das Portfolio von KEB Automation an der Frage, wie Automatisierung in Zukunft aussehen wird. Zwei, die hierzu exklusive Einblicke geben können, sind Prof. Dr. Henning Trsek, Leiter des Instituts für industrielle Informationstechnik (inIT) und Experte auf dem Gebiet vernetzter Automatisierungssysteme und Wolfgang Wiele, Chief Technology Officer bei KEB Automation. Im Doppelinterview beleuchten Sie die Bedeutung vernetzter Automatisierungssysteme und relevante Entwicklungen für den Anlagen- und Maschinenbau.

Herr Prof. Trsek, Sie sind Inhaber der bis 2024 von KEB gestifteten Professur „Vernetzte Automatisierungssysteme“ an der TH OWL. Welche Fragen und Schwerpunkte haben Sie in der Forschungsgruppe vor allem beschäftigt?
Prof. Dr. Henning Trsek: Die Schwerpunkte meiner Arbeitsgruppe liegen in den drei Forschungsbereichen Informations- und Wissensmodellierung, digitaler Zwilling und Cyber-Security. In unseren aktuellen Forschungsprojekten beschäftigen wir uns mit der Integration von Security-Informationen in die Verwaltungsschale, dem digitalen Produktpass und der Teilautomatisierung von Security-Prozessen (z. B. Bedrohungsanalysen oder Risikobewertungen) durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Warum war KEB das Engagement in Form einer Stiftungsprofessur wichtig? Was haben Sie sich davon versprochen?
Wolfgang Wiele: Bei KEB haben wir vor circa zehn Jahren damit begonnen, die Entwicklung der industriellen Automatisierung aus dem Blickwinkel eines Komponentenherstellers zu beschreiben. Dabei haben wir schnell erkannt, dass wir neben unserer industriellen Kompetenz eine wissenschaftliche Begleitung brauchen. Deshalb haben wir uns dann für eine Stiftungsprofessur an der TH OWL entschieden, die 2019 zustande gekommen ist.
Welche Vorteile bieten vernetzte Automatisierungssysteme in der Praxis?
Trsek: Vernetzte Automatisierungssysteme bieten zahlreiche Vorteile in der Praxis. Sie steigern die Effizienz der Anlagen und erhöhen die Transparenz. Zudem ermöglichen sie die vielseitige Nutzung von Betriebsdaten für unterschiedliche Anwendungsfälle wie Optimierung und Wartung. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Unterstützung mit der zunehmenden Komplexität technischer Systeme, wobei der digitale Zwilling eine zentrale Rolle spielt.
Wiele: Dem kann ich nur zustimmen. Die Steigerung der Energieeffizienz von Anlagen und Maschinen sowie die Möglichkeiten, die sich durch den digitalen Zwilling eröffnen, sind entscheidende Vorteile. Die smarte Nutzung der zur Verfügung stehenden Daten und dadurch verbesserte Wartungsprozesse tragen in Summe zu einer höheren Maschinenverfügbarkeit bei.

Gibt es konkrete Produktbeispiele von KEB, die Ihren Ursprung in der Hochschullehre haben?
Wiele: Wir legen Wert darauf, dass sich das theoretische Wissen auch in der Praxis widerspiegelt. Deshalb fließen die Erkenntnisse aus Bachelor- und Masterarbeiten, die von der Stiftungsprofessur betreut werden, kontinuierlich in unsere Produktentwicklung ein.
Trsek: Ein konkretes Beispiel für ein Produkt von KEB, das seinen Ursprung in der Hochschullehre hat, ist eine Entwicklungsplattform für Microcontroller. Diese Plattform wird bereits seit drei Jahren erfolgreich in unserer Lehre eingesetzt und hat sich so bewährt, dass KEB sie übernommen hat. Sie wird nun ebenfalls im Rahmen der Ausbildung der dualen Studentinnen und Studenten eingesetzt.
Welche Trends und Entwicklungen beobachten Sie im Bereich der Automatisierungstechnik, die künftig zunehmende Bedeutung für den Anlagen- und Maschinenbau haben werden?
Trsek: Ein wesentlicher Trend in der Automatisierungstechnik ist die Modularisierung und Flexibilisierung von Anlagenteilen, die durch eine Dezentralisierung von klassischen Steuerungsfunktionalitäten erreicht wird. In unseren Forschungsprojekten verfolgen wir Skill-basierte Engineering Konzepte. Das heißt, dass einzelne Anlagenmodule über definierte Skills oder Capabilities verfügen. Diese können flexibel kombiniert werden, was eine Anpassung der Anlage ohne aufwendige Änderungen im Engineeringprojekt ermöglicht. Die Modellierung der Capabilities erfolgt auf Basis der Verwaltungsschale.
Wiele: Die Ergebnisse aus den Arbeiten am digitalen Zwilling werden Inbetriebnahme, Wartung, und Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen erheblich verbessern. Und durch die gewonnenen Daten werden neue Algorithmen ermöglicht, deren Potenzial für den Maschinen- und Anlagenbau noch gar nicht abgeschätzt werden kann.
Gibt es im Zuge dieser Trends Herausforderungen, auf die man sich insbesondere einstellen muss? Und wie begegnet KEB diesen?
Trsek: Im Zuge dieser Trends gewinnen alle Themen rund um die Cyber-Security zunehmend an Bedeutung und müssen zwingend und umfassend adressiert werden.
Wiele: Hinzu kommt der Mangel an gut ausgebildeten Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und IT-Experten, der durchaus eine Herausforderung darstellt. Wir bei KEB betreiben deshalb seit mehr als zwei Jahrzehnten eine kooperative Ingenieurs-Ausbildung mit der TH OWL. Darüber hinaus sind wir auch stolz darauf, bei KEB eine sehr gute Ausbildungswerkstatt für die Fachkräfte von morgen zu haben, die bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.
